habt ihr Lust auf Gedankenexperimente?
… gedanklich in die Region umziehen, die Euch
schon seit Jahren landschaftlich reizt,
… sich vorstellen, als Paar gemeinsam im Ausland
zu leben,
… vor dem inneren Auge blitzt ein Traumjob auf,
… gedanklich noch einmal eine Ausbildung anfangen,
… ein soziales Projekt initiieren …
Diese Gedankenexperimente können wir bewusst
herbeiführen, sie kommen aber auch unerwartet:
in der Natur, beim Lesen eines Buches,
im Theater, beim Hören eines Konzertes, in der
Begegnung mit einem Menschen... Plötzlich ist
er da, der Möglichkeitsraum.
Manchmal sind wir von diesen Optionen, die wir theoretisch hätten, ganz fasziniert, und Weite macht sich in uns breit. Ein anderes Mal erschrecken wir über die Radikalität eines anderen Lebens, das sich da zeigt und unser eigenes sein könnte.
Wie wäre es, solche Gedankenexperimente zu kultivieren, sich gedanklich bewusst in Möglichkeitsräumen aufzuhalten und sich dafür Zeit zu nehmen? Was wäre nicht noch alles möglich? „Ich stelle mir vor…“
Solche Traum-Momente zeigen doch, dass unser
Leben nicht festgelegt ist, sondern dass es Spielräume
gibt, Möglichkeitsräume, die ergriffen
werden wollen: „Was uns verheißen ist, ist immer
noch mehr“ – so weist Papst Franziskus auf
diese Möglichkeiten unseres Lebens hin, die wir
manchmal ganz leise und tief im Hinterkopf versteckt
fühlen. Viele Menschen spüren dabei in
ruhigen Momenten: in meiner Sehnsucht, in diesen
Gedankenexperimenten leuchtet auch Gottes
Verheißung für mich auf, der uns ein „Leben
in Fülle“ verspricht.
Bei mir melden sich in solchen Traum-Augenblicken
auch gleich kritische Stimmen zu Wort:
„Das sind doch Luftschlösser“, „der Zug ist abgefahren“,
„Wie soll denn das gehen?“, „die Pflicht
ruft“ oder „keine Zeit für Hirngespinste“. Diese
(vor-)schnellen Einwände kommen aus meinem
eigenen Innern und manchmal auch von mir
nahestehenden Menschen. Diese Stimmen wollen
mich offensichtlich aus meinen erträumten
Möglichkeiten verjagen. Immer häufiger gelingt
es mir, sie erst einmal auszublenden, um mich
bewusst wieder dem Gedankenexperiment widmen
zu können.
Denn im Rückblick stelle ich fest, dass die großen Schritte in meinem Leben und in meiner Partnerschaft oft mit einem Gedankenexperiment begannen. Wenn ich mir dafür Zeit nehme, spüre ich schon beim Träumen: Mein Alltag wird (wieder) weit, ich sehe Möglichkeiten, ich nehme meine Sehnsüchte ernst und entdecke neue Lebensräume, die sich erst zeigen, wenn ich für mich selbst oder wir als Paar wirklich Traum-Augenblicke zulassen und uns darauf einlassen.
Mir hilft es dann, mich über die aufgetauchten
Bilder mit dem Partner/der Partnerin und einem
guten Freund/einer guten Freundin auszutauschen
und dabei auch über mögliche Sorgen zu
sprechen. Mir tut es auch gut, Gott im Gebet von
diesen erdachten Möglichkeitsräumen zu erzählen
und ihm auch damit womöglich verbundene
Ängste hinzuhalten.
Ob sich diese Möglichkeiten dann genau so realisieren
lassen und verwirklicht werden wollen
oder, nach weiteren Überlegungen, eine Variante
des entstandenen Bildes „ins Leben gebracht
wird“, bleibt spannend! Für Gedankenexperimente
braucht es auf jeden Fall Geduld und
Kreativität. Oft ist es erst das zweite Träumen,
das zweite und dritte Gespräch im Nachklang,
das über Monate gereifte innere Bild, das dann
geboren wird. Mit der Entwicklung des konkreten
Zukunfts-Bildes wächst dann auch die Kraft,
mutige Entscheidungen zu fällen, Abschiede zu
wagen und sich Neuem zuzuwenden.
Gönnt euch Gedankenexperimente alleine und
gemeinsam. Führt Gespräche darüber, über die
Zeit, die Dinge und Entscheidungen brauchen,
um heranzureifen und habt dann den Mut, Experimente
zu leben!
Auf diesem Weg wünsche ich Euch Vertrauen, Geduld und Nachsicht mit Euch selbst.
Yvonne Schmitt
Du siehst Dinge und fragst. „Warum?“
Aber ich träume von Dingen,
die es nie gegeben hat,
und sage: „Warum nicht?“
Georg Barnard Shaw
Bild: © Marion Schmidt
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